Beziehungskompetenz hilft herausfordernden Kindern

Obwohl es nur sehr wenige herausfordernde Kinder in Kitas und Schulen gibt, beanspruchen sie doch einen grossen Teil der alltäglichen Energie und des Bewusstseins von PädagogInnen. Immer wird das Verhalten der Kinder als hochproblematisch und destruktiv erlebt, selten gerät jedoch der eigene Anteil in den Blick: Was passiert mit mir im Kontakt mit diesem Kind? Welche für mich problematischen Gefühle löst dieses Kind bei mir aus: Hilflosigkeit, Ohnmacht, Wut oder Verärgerung? Kann ich als Fachperson das Kind „sehen“ – also seine existenzielle Art und Weise in der Welt zu sein und seine Lösungsversuche anerkennen (auch wenn genau die in der Insitution solche Probleme verursachen)?

Wenn Kinder z. B. zur Untersuchung an die pädagogisch-psychologische Beratungsstelle überwiesen werden, liegt der Fokus im Großen und Ganzen immer auf dem Verhalten des Kindes und nicht auf der Beziehung zwischen Fachperson und Kind.

Auszug aus »DIALOG mit Eltern« Gelungene Lehrer– Elterngespräche von Helle Jensen (http://shop.famlab.de/Dialog_mit_Eltern)

Nicht immer ist es wirklich nötig, dass herausfordernde Kinder an Expertinnen für Ergotherapie, Logopädie u.a. überwiesen werden. Wir können in der Praxis leider beobachten, wie wenig Vertrauen ErzieherInnen und LehrerInnen in ihre eigene Beziehungskompetenz haben. Oft würde Anerkennung in einem 5-minütigem Dialog des Bezugserziehers oder der Klassenlehrerin mit dem Kind viel mehr bringen als weitere externe Termine mit ExpertInnen, zu denen das Kind noch gar keine Beziehung hat und nicht immer automatisch auch eine tragfähige Beziehung in wenigen Stunden aufbauen kann. Aber hier gibt es eine große fachliche Unsicherheit der PädagogInnen ihre eigene Wirkung wahr- und ernstzunehmen und durch beziehungskompetentes Handeln effektiver zu nutzen!

In dem Buch „Vom Gehorsam zur Verantwortung “ (Jesper Juul/Helle Jensen) gibt es dazu ein trauriges Beispiel vom 9. -Klässler Réné und einer Schulschwester auf S. 384 , dem ich aus eigener Praxis noch etliche zufügen könnte. Der Schüler wendet sich aus eigener Initiative an die Schulschwester (Begrifflichkeiten aus Dänemark) und durch ein vertrauensvolles Gespräch schüttet er sein Herz über sein anstrengende Familiensituation aus. Alles was dieser Schüler (in diesem Einzelfall) bräuchte, wäre einen Menschen mit Herz, der ihm zuhört und anerkennt, in welch belastender Situation er mit einem psychisch kranken Elternteil lebt. Die Schulschwester traut leider nicht ihrer Intuition, sondern überweist ihn an den Schulpsychologen und macht ihn damit zum Klienten. Sie unterschätzt die stabilisierende und heilsame Wirkung, die ihr Zuhören auf den Schüler hätte.

Die „gute Absicht hilfreich zu sein“ der Fachperson ignoriert ihre eigene Beziehungskompetenz, dass sie das, was dieser Junge ab und zu bräuchte, ihm problemlos selbst geben könnte. Der Junge hat zu ihr Vertrauen und öffnet sich – stattdessen mutet sie dem belasteten, aber in sich gesundem Kind zusätzlich eine Karriere durch die Instanzen der Schulspychologie zu.

Supervision und kollegiale Reflexion können helfen, ein immer besseres Gespür für die eigenen Fähigkeiten und Grenzen des Handelns zu entwickeln. Für die Qualität und Karrieren/Schulversagen der Kinder kann es enormen Unterschied machen, ob die PädagogInnen, auf die es trifft, ihr Handeln beziehungskompetent hinterfragen können oder aus Unkenntnis die Verantwortung an die nächsten Fachleute weitergeben.